Wenn ich gefragt werde, was ich beruflich mache, bin ich immer auf die Reaktion gespannt. Wenn andere Kuschelparty hören, reagieren sie höchst unterschiedlich: mit Belächeln, Staunen, Irritation, Ablehnung – oder mit Freude und echtem Interesse.
Die häufigsten Einwände sind:
Ich könnte nie mit Fremden kuscheln!
Und wenn mir keine*r gefällt?
Nur Kuscheln? Das reicht mir nicht.
Als Kuschel- und Berührungs-Trainerin möchte ich zu diesen Themen einige Gedanken und Erfahrungen teilen.
„Ich will nicht mit Fremden kuscheln“
Dem ist erst einmal nichts entgegen zu halten. Natürlich soll jeder und jede selbst entscheiden, mit wem sie körperlich nah ist. Es ist ganz natürlich, dass man befreundete und geliebte Menschen umarmen mag, Fremde dagegen nicht. Das ist auch bei mir nicht anders.
Meine Erfahrung ist jedoch, dass bislang Fremde am Ende doch kuscheln: Männer und Frauen, Männer und Männer, Frauen und Frauen, zu zweit, zu dritt, zu viert, zu fünft… Im Löffelchen oder anders. Sie liegen friedlich und geborgen zusammen und am Ende strahlen sie, aus ihren Augen spricht Zufriedenheit, Geborgenheit und Wohlgefühl.
Bei unseren Kuschelpartys gibt es einige, die regelmäßig kommen. Aber es kommen auch jedes Mal Neue. Auch die Neuen machen mit, werden Teil der Gruppe und kuscheln am Ende.
Ich erinnere mich an ein eigenes Jahrestraining mit Selbst- und Körpererfahrung. Beim ersten Termin schaute ich mir die anderen Teilnehmenden an und dachte: Oh nein, da ist ja niemand wirklich Nettes dabei. Mit keinem würde ich eine Körperübung machen wollen. Entmutigt saß ich in der Begrüßungsrunde. Nach dem Tanzen machten wir zu dritt ein Sharing, einen verbalen Austausch. Und das war so berührend, so ehrlich und herzöffnend, dass ich mich diesen beiden ganz nah fühlte. Und dann interessanterweise plötzlich auch den übrigen Menschen im Raum. Ich war in der Gruppe, im Seminar angekommen. Wie hatte die Trainerin das bloß gemacht?
Auch bei einer Kuschelparty ermöglicht der schrittweise Aufbau, die anderen Menschen im Raum zu sehen, zu erleben. In der Begrüßungsrunde hat jeder seinen Namen und ein bis zwei Sätze gesagt, und das Gefühl der Fremdheit verschwindet hier schon ein bisschen. Dem folgen spielerisch und tänzerisch Augenkontakt, im Raum bewegen, kurze Zweier- oder Dreierübungen. Man weiß, wer da ist und für die meisten ist die erste Berühr-Übung mit den Händen zum Beispiel kein Problem. Vorher wird Ja/Nein-Sagen geübt, denn niemand soll gegen seinen Willen berührt werden. Jederzeit entscheidest du selbst, ob und wen du berühren möchtest.
Genauso wie bei meinem Jahrestraining damals ist es auch bei Kuschelpartys schön zu sehen, wie leicht und unkompliziert Menschen auf der Tanzfläche in Kontakt und oft auch Berührung kommen. Natürlich kann es eine Herausforderung sein, den „richtigen“ Partner oder die „richtige“ Gruppe für eine Übung zu finden (siehe auch meinen Artikel Jeder ist der Richtige?). Die Trainerinnen helfen bei der Wahl, das Helfer-Team steht zur Seite, und irgendwie geht es immer auf und (hoffentlich) niemand landet in einer Gruppe, die sich ganz unangenehm anfühlt. Mit Menschen, die ich mir – mehr oder weniger – ausgesucht habe, schon getanzt habe, ist es meist leicht, z.B. in eine Dreier-Verwöhn-Übung zu gehen und mir von den beiden anderen alles wünschen zu dürfen, was jetzt für mich stimmig ist. Selten steigt hier jemand aus. Sehr selten.
Wenn es aber nicht geht? Wenn alles zu fremd, zu nah, zu emotional ist? Wenn alte Themen getriggert werden? Oder wenn die Nähe so ungewohnt ist, weil man lange allein ohne Berührung war? Dann ist eine Pause gut, auf der Pausenmatte oder draußen mit einer Tasse Tee. Es gehen auch Menschen nach Hause, mitten in der Veranstaltung. Das kommt immer mal wieder vor. Der größte Teil, ich würde sagen 98-99%, bleiben. Und lassen sich auf das Abenteuer ein, denen nah zu kommen, die ihnen sympathisch sind. Oder auch sehr achtsam Nähe mit Menschen auszuprobieren, die man nicht kennt, in dem Wissen: Ich kann jederzeit einen Schritt zurück gehen, mich umdrehen, mich lösen, woanders hingehen.
Und wenn mir keiner gefällt?
Auf unseren Veranstaltungen sind etwa 30-40 Menschen in einem großen, wunderschönen Dachgeschoss. Es gibt genug Auswahl, und sicherlich sind auch Menschen dabei, die du sympathisch, vertrauenserweckend und angenehm findest. Durch die verschiedenen Übungen hast du zu mehreren kurzen Kontakt und kannst schon mal spüren, zu wem du dich eher hingezogen fühlst. Oft sind nicht die, die man am sympathischsten oder „schönsten“ findet diejenigen, die am besten halten, am angenehmsten berühren oder bei denen man am tiefsten entspannen kann.
Möglicherweise gelten beim Kuscheln sogar andere Kriterien als im Alltag: Es kommt eher darauf an, ob ich neben diesem Menschen in tiefe Geborgenheit und Entspannung tauchen kann. Bei manchen spielt, bewusst oder unbewusst, der Geruch eine Rolle (jemanden „riechen“ können), oder die Berührungsqualität. Oder freundliche Augen, die mich willkommen heißen. Oder Menschen, die mich unbewusst an eine als Kind geliebte Bezugsperson erinnern.
Nur kuscheln? Das reicht mir nicht.
Das höre ich oft, und ich möchte intime Begegnungen nicht gegen Kuscheln ausspielen. Beides hat seinen Wert und beides ist wichtig. Jedoch erleben viele den engen Körperkontakt zu einer anderen, erwachsenen Person ausschließlich im Kontext von Erotik, als (notwendiges) Vorspiel, bzw. als etwas, was nicht für sich steht, sondern nach der nächsten Stufe strebt. Das ist okay. Und doch glaube ich, dass so die eigene Qualität des Kuschelns nicht in der Tiefe erlebt wird.
Natürlich ist die Frage berechtigt, wieso darf es nicht weitergehen? Warum sollen wir uns als erwachsene Menschen beschränken?
Bei der Kuschelparty möchten wir einen Raum öffnen, wo achtsame, heilsame Berührung im Vordergrund steht. Absichtslose Berührung, die eben nicht nach mehr und weiter und etwas anderem strebt. Sondern wo diese Berührung genau das ist, worum es hier und jetzt geht.
Alle Säugetiere kuscheln
Alle Säugetiere kuscheln, wenn sie auf die Welt kommen. Mit ihren Geschwistern oder den Eltern. Wir alle kennen Katzenkörbchen oder einen Wurf junger Hunde, die aneinander geschmiegt zusammen liegen – dieses Bild erwärmt unser Herz. Wir fühlen Nestwärme, Sicherheit und Geborgenheit. Es ist kein Zwischenzustand, sondern genau richtig. Es fehlt nichts. Es ist vollkommen.
Diese Nestwärme, diesen Ur-Zustand der Geborgenheit möchten wir bei unseren Berührungsabenden erfahrbar machen. Und dafür braucht es klare Absprachen und einen geschützten, liebevoll und aufmerksam gehaltenen Raum. Die Vereinbarung ist, sich auf die Kuschelenergie einzulassen und die Kuschelregeln zu achten, das heißt auf Küssen und Berühren der Bikini- oder Badehosen-Zone zu verzichten. Mit einem gemeinsamen Beginn und einem gemeinsamen Ende. Mit einer Kuscheltrainerin, die anleitet, alles im Blick hat und jederzeit ansprechbar ist.
Hin und wieder kommen Menschen bei unseren Veranstaltungen an ihre Themen: Eine Kindheit mit wenig Berührung, oder mit „zuviel“ Ansprüchen, Überflutung oder vielleicht sogar Gewalterfahrung. Oder die Trauer über ein Single-Leben mit wenig Körperkontakt. Was auch immer kommt, es darf da sein. Auch hierfür ist es essentiell, den Fokus auf achtsame, Geborgenheit schenkende Berührung zu legen – bis zum Ende des Abends.
Der Blick auf die Kuschelwiese erfüllt mich jedes Mal mit Freude, Frieden und Dankbarkeit. Es ist das Schönste und Natürlichste der Welt, sich anzuschmiegen und seinen Körper auf diese Art wohlig, warm und weich zu erleben, die Wärme, Gemeinschaft und Geborgenheit anderer menschlicher Wesen zu spüren.